Hier, am nördlichsten Zipfel Rheinhessens, wo sich vor über 400 Millionen Jahren der geografische Äquator befand, hat man von biodynamischer Weinlese womöglich noch nichts gewusst. Erst durch die Verschiebung und dem Auseinandertriften der Erdplatten erhob sich ein wahres Juwel: der Rochusberg. Steht man ganz oben, im Turmzimmer des Weinguts Riffel genießt man nicht nur einen fantastischen Blick über den Binger Scharlachberg, sondern schmeckt die gewaltige Historie in jedem Schluck.
„Wir möchten unsere Trauben in den Händen halten, bevor sie zu Wein werden“, Erik Riffel
Der Quarzitboden, der aus den tektonischen Verschiebungen entstand, hat eine besondere Fähigkeit Wärme zu speichern, die nachwirkend auf die Trauben wirkt. Aufgeladen mit all der Sonnenwärme führt das zu intensiver Reife, die in Kombination mit dem Boden ganz besonders geradlinige und mineralische Weine hervorbringen.
„Die Basis eines Weines wird im Weinberg gelegt und so wird auch schon dort über Qualität und Eigencharakter entschieden“, Erik Riffel.
Dass sich Gegensätze anziehen, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Und auch hier, zwischen Nahe und Rhein könnten die klimatischen Bedingungen nicht unterschiedlicher sein und beeinflussen Charakter und Geschmack der auf Quarzit aus dem Urmeer und dem ehemaligen Flussbett wachsenden Reben.
Auch Erik Riffel war sich nicht immer einig mit seinem Vater. Ein Winzer durch und durch, der mit den „neumodischen Anwandlungen“ seines Sohnes zunächst wenig anfangen konnte. Erik begann früh sich mit biologischem Weinbau zu beschäftigen. Sein Credo: es geht nur mit der Natur, nicht gegen sie. Seit über 15 Jahren zertifizierter Biobetrieb, seit 2012 biodynamisch.
Kräuter zwischen den Reben, zur Unterstützung der Artenvielfalt, Regenwürmer und Kompost stärken das Immunsystem des Weinbergs, erklärt Erik Riffel.
Ein Mehraufwand, den man schmeckt. Das hat heute auch Eriks Vater verstanden. Manche Dinge brauchen eben einfach ihre Zeit. Ein guter Wein zum Beispiel. Denn erst durch die lange Reifezeit, entwickeln die Weine ihren ganz persönlichen Charakter.
„Jeder Wein hat seine ganz eigene Melodie“, Erik Riffel
Jeder Wein hat seine eigene Melodie, schwärmt Erik Riffel, der sich sonntagabends gerne mal in den Weinkeller zurückzieht, um den Wein beim Gären zuzuhören. Jede Fass klinge anders und mache eben genau diese besondere und einzigartige Note aus.
Der bernsteinfarbene Chardonnay funkelt im Glas mit Eriks Augen um die Wette, wenn er von seinen Weinbergen erzählt. Kirchberg, Osterberg und Scharlachberg, der seinen Namen der scharlachroten Farbe des eisenoxidhaltigen Bodens zu verdanken hat. Noch mehr strahlen seine Augen aber, wenn er von seiner Frau Carolin spricht. Sie ist nicht nur seine Jugendliebe, mir ihr bewirtschaftet er heute die 18 Hektar Weinberg in Bingen am Rhein.
„Wir machen Weine auf höchstem Niveau. Weine, die uns selbst Spaß machen und unser Terroir widerspiegeln“, Carolin Riffel
Konsequente Handlese, kompromisslos selektiert und lange Reifezeiten machen die Riffel Weine zu dem, was sie sind. Die Essenz vergangener Epochen, entstanden aus Erdverschiebungen und Reben, die auf dem ehemaligen Nahe-Flussbett im Einklang mit der Natur gedeihen und auf dem durch vielfältige Begrünung durchlüftetem Boden ihr volles Aroma entfalten – und auch in Zukunft erhalten dürfen.
Zeit ist im Weinbau relativ. Bereits die Römer kultivierten Wein in Bingen am Rhein – das reimt sich nicht nur, sondern ist ein Stück Zeitgeschichte, auf die Erik mit Stolz zurückblickt. Seine Lagenweine reifen im traditionellen Stückfass aus heimischen Eichen. Die Réserven noch länger in kleinen Barriques und regelmäßiger Batonnage.
„Wir liegen nicht irgendwo. Wie liegen an zwei Flüssen. An der Nahe und am Rhein“
Ganz besonders stolz ist er auf das „Filetstück“ wie er es nennt. Im Jahr 1248 erwarb das Kloster Eberbach die steilste Lage in der Region. Am Tag der heiligen Katherina, dem 25. November, wurde der Pachtzinns von den Bauern gefordert. Die Lage sollte sich auszahlen, denn 1904 stand die sogenannte Katherinnenzins-Auslese von 1900 auf der German Food & Wine Exhibition in St. Louis in den USA zum Verkauf.
Heute sind diese 1,2 Hektar mitten im nord-westlichsten Zipfel Rheinhessens Erik Riffels Herzstück. Die Dichte und Vielschichtigkeit der Nahe und die schlanke Eleganz des Rheins treffen hier aufeinander und kreieren feingliedrige, mineralische Weine mit sonniger, vor Frucht überbordender Intensität und gerade bei den Réserve Weine eine finessenreiche Cremigkeit.
Das hat sich mittlerweile rumgesprochen, auch wenn Carolin und Erik Riffel eher Klasse statt Masse bedienen. Die zahlreichen Auszeichnungen geben ihnen recht. Zum Beispiel sind sie mit ihrem 2022 Scharlachberg Riesling unter den Top 10 der Top 100 Wines of Germany von James Suckling. Und im November 2024 auf der Pro Wine in Shanghai zu Gast. Die gehobene Gastronomie hat national sowie international bereits ein Auge auf das Weingut Riffel geworfen – denn die Kreationen sind exzellente Essensbegleiter. Für Mutige: den Scharlachberger Riesling Sekt Brut Nature zu einem asiatischen Gericht probieren. Ein Gedicht.
„Unser Gestein beruht auf 400 Millionen Jahren Erdgeschichte. Quarzit ist das Leben für unseren Wein“
Im Münchner „Szenedrink“ – einer Institution in der Fraunhoferstraße, reihen sich im Regal die Magnum Flaschen des Weingut Riffel. Und hier in München, auf dem Olympiaberg, verliebten sich Carolin und Erik nach einer Weinprobe. Wer jetzt denkt, mehr Kitsch geht nicht: Das Logo, das jede Weinflasche ziert, zeigt eine Skizze des Turmzimmers auf dem Weingut. Auf einer ihrer Reisen sprach ein Chinese die beiden darauf an, dass dieses „Zeichen“ im Chinesischen für Mond steht. Und da das Weingut als biodynamischer Betrieb im Einklang mit den Mondphasen arbeitet, verbreitet sich ein Gefühl, dass manchmal tatsächlich einfach alles so sein soll, wie es ist.
Und dennoch sagen Carolin und Erik, wir sind keine Hellseher – wir wissen nur eins.
„Ein Glas Wein kann ein unglaublicher Genuss sein“.
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Bingen am Rhein
Bildnachweis: ©Weingut Riffel / Nils Weiler
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