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Morgen ist heute auch schon gestern

von | Kommunikation, Leben, Psychologie

Wenn sich das Jahr dem Ende neigt, nutzen wir die Zeit Revue passieren zu lassen. Wir  ziehen uns zurück, den Kragen unseres Mantels hoch und machen uns neben Tee manchmal auch schlichtweg zu viel Gedanken. Zurückzublicken scheint uns leichter zu fallen, als voller Ideen und Visionen in die Zukunft zu schauen. Das ist irgendwie typisch Deutsch. Ein bisschen alles wie immer, bitte.

In unserer sich stetig verändernden Welt – und das aktuell mehr denn je – ist es von besonderer Notwenigkeit resilient, mutig, kreativ und auch visionär in die Zukunft zu blicken. Denn alles wie immer wird in just dieser Zukunft nicht mehr funktionieren. Es treffen verschiedenste Faktoren aufeinander, die in der Kombination ein Umdenken unumgänglich machen. Aber vielleicht ist das alles gar nicht so schlimm, wie manche glauben mögen. Es wird schließlich nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird – das wusste schon die Oma.

Die Perspektive wechseln

Vielleicht müssen wir bloß unseren Blickwinkel verändern. Den Kopf ein bisschen zur Seite neigen und die Perspektive wechseln? Manchmal wirkt das ja Wunder. Vielleicht schaffen wir es dadurch, Umdenken und Veränderungsprozesse als etwas Großartiges anzuerkennen. Eine Einladung, Dinge zu hinterfragen und sie an neue Gegebenheiten anzupassen. Dass die stetige Anpassung an die Gegebenheiten elementar ist, hat schon Charles Darwin gewusst – und dafür direkt einen fancy Namen festgelegt: „survival of the fittest“. Das war zwar in Australien, aber wie sagte Andy Möller einst so schön: Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien. Aber zurück nach Deutschland. Manche Dinge ändern sich, andere sind über Jahrhunderte hinweg konstant. Und selbst wenn wir etwas scheinbar nicht ändern können, so können wir doch immer die Art und Weise ändern, wie wir auf sich verändernde Situationen reagieren. Das ist doch unsere ganz persönliche Superpower. Wieso nutzen wir diese nicht viel öfter?

„Warum nutzen wir unsere ganz persönliche Superpower nicht viel öfter?“

In der Entität ist alles ein andauernder Prozess der Veränderung. Veränderung ist kein Ziel, sondern ein Weg, den man am besten gemeinsam geht. Mit Blick über den Tellerrand. Jetzt mag man vielleicht typische Deutsche Klischees monieren, was in sich bereits eine Bestätigung kultureller Eigenheiten sein könnte, aber man kann ihn ja bekanntermaßen aus dem Ghetto holen, aber das Ghetto nicht aus ihm – so ist das auch mit Buxtehude. Und dennoch wollen manche genau so typisch Deutsch sein. Mit unseren Werten unseren kulturellen- und gesellschaftlichen Gepflogenheiten, aber auch unseren geistreichen Errungenschaften. Das Land der Dichter und Denker – eines der wenigen Beispiele, in denen Selbst- und Fremdbild kongruent scheinen.

Eine Kunst für sich

Auf dem afrikanischen Kontinent genießt Deutschland in weiten Teilen hohes Ansehen. Junge Afrikaner:innen, die sich nicht nur für Sprache, Technik und Kommunikation begeistern, sind fasziniert vom Heidelberger Buchdruck, der sich durch die Weiterentwicklung von Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert als Kunstform in ganz Europa und innerhalb weniger Jahrzehnte auf der ganzen Welt verbreitete. Begeistert von der Qualität, dem Gusseisen und davon, wie jeder einzelne Buchstabe scheinbar mühelos über das Papier gleitet. Banale Technik mit immenser (Aus-) Wirkung. „Die Begeisterung und das Strahlen in ihren Augen zu sehen, ist unbeschreiblich.“ Wahrhaftiges Interesse und intrinische Neugier. So komplett das Gegenteil von „was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“. Diese Geschichte erzählte mir am Rande eines Vortrags ein Afrikaner, der wissen muss: Niemand Geringeres als Dr. Prinz Asfa Wossen Asserate.

Mich berührt an dieser Anekdote, dass sie so herrlich bodenständig ist – auch wenn es ein materieller Wunsch ist und es vermutlich auch gegen solche nichts einzuwenden gibt. Eines wird aber sehr klar – es geht um Handwerk, um Tradition und um Werte. Es ist nicht das westliche höher, schneller, weiter, sondern es ist ein in sich Kehren, ein Innehalten und etwas Wahrhaftiges mit seinen eigenen Händen zu erschaffen. Das braucht seine Zeit, ja – vermutlich hält es dann auch länger. Qualität steht seit jeher vor Quantität.

Happiness Booster

Es geht darum, etwas zu erschaffen, das Bestand hat. Nur wer selbst viel Zeit in ein Projekt hineinsteckt, weiß dies zu schätzen. Vielleicht ist das alles gar nicht so fern von unseren Bemühungen um Nachhaltigkeit und Diversität. Eventuell müssten wir es einfach bloß mal machen. Vielleicht müssten wir dazu ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen, vielleicht sogar unseren Horizont etwas erweitern oder besser gleich auf den anderen Kontinent linsen. Vielleicht können wir uns zur Abwechslung mal etwas von den Afrikaner:innen abschauen?

Trotz – aus westlicher Sicht – widriger Umstände, sind die Afrikaner ein fröhliches Volk. Trotz oder vielleicht gerade deswegen Meister im Improvisieren. „Komme ich heute nicht, komme ich morgen“, sagt man so lapidar, aber Fakt ist: Vieles kommt immer anders, wenn man denkt. Wenn wir es schaffen, uns diese geistige und kreative Freiheit zu bewahren und mutig mit neuen Situationen umzugehen, könnten wir vielleicht sogar etwas von unserer Leichtigkeit zurückgewinnen. Und das wäre doch genauso erstrebenswert wie die Begeisterungsfähigkeit über die Revolution des Buchdrucks. Mindestens.

Und ganz vielleicht könnten wir dann sogar weniger in der Vergangenheit, sondern viel mehr in der Zukunft leben? Denn das Schöne ist ja. Wir können sie aktiv gestalten.