Services          Magazin
Über mich          Kontakt

It’s just an illusion

von | Kunst, Lifestyle

Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist – wir sehen sie wie wir sind. Doch wie sehen wir uns eigentlich selbst? Entspricht das alles der Realität oder unterliegen wir Impulsen und vermeintlichen Idealen im Außen? Selbst- und Fremdbild sind oft nicht kongruent. Doch woran liegt das?

Hannibal Lecter sagte einst zu Agentin Starling „wir beginnen das zu begehren, was wir täglich sehen“ – das funktioniert auch umgekehrt. Allem, was wir Beachtung schenken wirkt besonders präsent. Im positiven wie im negativen Sinne. Da wird die kleine Lachfalte plötzlich zum riesengroßen Krater oder ein Versprecher im Vortrag zum Desaster. Doch die Sache ist die: niemand außer uns selbst bemerkt das. Im Allgemeinen bemerken wir ziemlich wenig. Das liegt zum einen daran, dass Sehen nicht gleich Wahrnehmen ist, sagt Dr. Caroline Kim und, dass es prinzipiell zwei Arten von Beobachtern gibt. 

„Das, was wir vermeintlich kennen, betrachten wir nicht mehr im Detail“, Dr. Caroline Kim

Manche Menschen nehmen ein Bild im Gesamten als Komposition wahr und bemerken einzelne Veränderungen kaum. Andere sehen unzählige Mosaiksteinchen und alle Spezifitäten. In der Wissenschaft spricht von hier auch von Pareidolie – einem Phänomen, in Dingen vermeintlich vertraute Gegenstände zu erkennen. Dieses Gestalt-Empfinden sicherte einen Überlebensvorteil im Laufe der Evolution. Und auch heute sehen wir nicht einfach nur, sondern unsere Wahrnehmung ist geprägt  von Erfahrungen und Erwartungen. Das bringt oft die Gefahr, dass wir das, was wir vermeintlich kennen, nicht mehr im Detail betrachten.

Und in noch einer Sache hatte Lecter recht. All das, was wir tagtäglich sehen, hat einen enormen Einfluss auf uns. Und es macht etwas mit uns – ob wir wollen oder nicht. Betrachten wir all die schönen Menschen, Häuser und die scheinbar perfekten Leben der anderen, können wir uns im ständigen Vergleich nur schlecht fühlen. Wir blenden aus, dass nicht alles real ist, was wir sehen.

Unser Gehirn zwingt uns quasi dazu, die Dinge zu sehen, wie sein vermeintlich zu sein haben. Ein eindrucksvolles Beispiel, dass der Mensch in Gesichtern nur auf Details achtet, wenn es richtig herum betrachtet wird,  ist der Thatcher-Effekt. Er geht auf die Britische Politikern Magret Thatcher zurück und besagt, dass in jedem beliebigen Gesicht Details wie Augen oder Mund verändert werden können – die Manipulation aber erst auffällt, wenn das Foto umgedreht wird.

Julia Heinz, communique Magazin. Dr. Sonja Lechner

Kunst schafft es uns auf abstrakter Ebene und einen Spiegel vorzuhalten und uns leise daran zu erinnern: Wir sehen die Welt nicht wie sie ist, wir sehen sie wie wir sind.

Und wie wir sind, ist auch geprägt von unseren Erfahrungen, Emotionen und allen voran all den Dingen, die wir sehen. Deshalb lohnt sich genaueres Hinsehen. Öfters mal die Perspektive zu wechseln und den Fokus zu rekalibrieren. Oder anders gesagt: energy flows where focus goes.

„Energy flows where focus goes“

Dazu dürfen wir nicht nur über den Tellerrand, sondern gerne auch mal auf den anderen Kontinent schauen. Genauer gesagt nach Afrika. Bei uns kommt zu jeder erdenklichen Zeit sauberes Trinkwasser aus der Leitung – im Senegal ist das keine Selbstverständlichkeit. Der Verein internationale Familienhilfe rund um Gründerin Edeltraud Müller baut Kindergärten, setzt sich vor Ort aktiv für Bildung ein und schafft mit Mikrokrediten Hilfe zu Selbsthilfe, die insbesondere Frauen die Existenz sichern. Dass Bildung der Schlüssel zum Glück ist, gilt universell – in Afrika oder vor der eigenen Haustüre.

Julia Heinz communique Magazin, Dr. Sonja Lechner

 Kindergarten „Leila“ im Senegal. Das Unterrichtsprinzip ist angelehnt an das Französische System Ècole Maternelle.

 

Dr. Cathrin Klingsöhr-Leroy, Kunsthistorikerin und Direktorin des Franz-Marc-Museum in Kochel a. See empfiehlt jeder und jedem Kunst wahrhaftig zu betrachten. Im echten Leben anstatt bloß hinter den Screens. Sehen, betrachten und wahrnehmen. Neue Erfahrungen sammeln, die später als Ankerpunkte dienen, wenn wir Ähnliches sehen und unserer Gehirn auf das Erlebte zurückgreift. Da dürfen wir die Evolution gerne ein bisschen unterstützen und immer wieder Input bieten, anstatt in ewig gleichen Bubbles zu verharren. Neue Perspektiven, die uns helfen, komplexe Dinge als Ganzes wahrzunehmen und dennoch ein Auge fürs Detail behalten.

Momente im Hier und Jetzt genießen, aufsaugen. Und deren übergeordneten Sinn wir vermutlich erst in der Retrospektive gänzlich verstehen.

 

 

 

 

 

 

Bildnachweis: Hannes Magerstaedt, infa-ev.org.